Alle Beiträge von Sascha Westphal
Festivals
Die erste Ruhrtriennale unter der Intendanz von Barbara Frey
von Sascha Westphal
Abendliches Licht fällt durch die hohen Fenster in die imposante Maschinenhalle der Zeche Zweckel in Gladbeck. Es taucht die stillgelegte Fördermaschine samt ihren unterschiedlich großen Antriebsrädern in ein abgründiges Zwielicht. Die riesigen Artefakte einer längst vergangenen Zeit der Industrialisierung, die aus dem Boden der Halle herauszuwachsen scheinen, sind das zentrale Bühnenbild-Element in Barbara Freys Adaption von Edgar Allan Poes „Der Untergang des Hauses Usher“. Martin Zehetgruber…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2021
Festivals
Das africologne Festival in Köln stößt seit zehn Jahren Diskussionen über neokoloniale Verhältnisse an, um Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen
von Sascha Westphal
Schließlich ist es so weit. Vater und Sohn ziehen ihre Revolver und schießen aufeinander. Ein Ende, das sich von Anfang an abgezeichnet hat und doch nicht unvermeidbar war. Nicht das Schicksal hat den Bauunternehmer und selbsternannten „König des Betons“ Franck und Niko, seinen Erstgeborenen, zu Todfeinden gemacht. Sie sind den Mechanismen des Kapitalismus erlegen, die alles auf Konkurrenz und Kampf reduzieren und kein friedliches Nebeneinander gegensätzlicher Ideen und Überzeugungen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2021
Künstlerinsert
Die Künstlerin Mariechen Danz hinterfragt bei den Ruhrfestspielen Recklinghausen akademische und gesellschaftliche Gewissheiten
von Sascha Westphal
How to know?“ Wieder und wieder intoniert die Künstlerin und Performerin Mariechen Danz diese drei Worte, während sie den Raum um sich herum abschreitet. In ihrem weiten, mit ebenso vielfältigen wie vielfarbigen Bildern und Symbolen übersäten Gewand schreitet sie durch einen seltsam zeit-losen Raum. Sie hat dabei zweifellos etwas von einer archaischen Priesterin oder Schamanin. Vor allem ihr gleichförmiger und doch ungeheuer ausdrucksstarker Sprechgesang verleiht der Situation einen rituellen,…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 9/2021
Auftritt
Volksbühne Berlin: „Anthropos, Tyrann (Ödipus)“ von Alexander Eisenach nach Sophokles. Regie Alexander Eisenach. Konzeptionelle Mitarbeit Frank M. Raddatz (Theater des Anthropozän)
von Sascha Westphal
„Der Mensch“, das war für Ödipus des Rätsels Lösung. Mit dieser Antwort konnte er die Sphinx bezwingen und Theben von ihrer Schreckensherrschaft befreien. Sie hat ihn zum König der Stadt und zum Gatten seiner eigenen Mutter gemacht. Damit war sie es aber auch, die neues Unglück und den Fluch der Götter über ihn und ganz Theben gebracht hat.
So hat Sophokles in einer Ära, in der noch der Glaube an die Götter wie an das Schicksal mächtig war, das Doppelgesicht des Menschen beschworen. Auf der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2021
Look Out
Das Bochumer Kollektiv Anna Kpok befragt die Welt mittels digitaler Verfremdung
von Sascha Westphal
Der Lockdown macht gezwungenermaßen erfinderisch. Wenn wir schon nicht in einem Saal zusammenkommen können, dann müssen andere Wege beschritten werden, um ein Gefühl von Gemeinschaft zu erzeugen. Einen faszinierenden Weg, das zu erreichen, hat das freie Theaterkollektiv Anna Kpok mit der Online-Gaming-Performance „Anna Kpok und die Dinge aus einer anderen Zeit“ gefunden. Entstanden im ersten Lockdown im Frühjahr 2020, ermöglicht dieses zuletzt über die Schaubude Berlin präsentierte…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2021
Look Out
Die Bochumer Schauspielerin Jing Xiang übersetzt Emotionen in Bewegung
von Sascha Westphal
Sie ist eine Magierin“, sagt Johan Simons im Nachgespräch zum Live-Stream seiner Inszenierung von Elias Canettis „Die Befristeten“ – und meint damit Jing Xiang. Wer die 1993 in Berlin geborene Schauspielerin auch nur ein einziges Mal in Bochum im Schauspielhaus oder auch auf der kleinen Freilichtbühne im Innenhof der Privatbrauerei Moritz Fiege erlebt hat, weiß sofort, was Simons meint.
Jing Xiangs Auftritte haben tatsächlich etwas Zauberisches. Unabhängig vom Geschehen um sie herum zieht…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2021
Auftritt
Theater Gütersloh: „Oinkonomy“ (UA) von Nora Gomringer. Regie und Bühne Christian Schäfer, Kostüme Anna Sun Barthold-Torpai
von Sascha Westphal
Als die junge Frau schlurfenden Schrittes auf die leere schwarze Bühne kommt, führt sie erst einmal ein paar Handlangerarbeiten aus. So muss etwa ein riesiges Rolltor im Hintergrund geöffnet werden. Danach kommt sie an die Rampe und sucht sich eine Person in der ersten Reihe aus. Der Blick, mit dem sie die erwählte Zuschauerin oder den Zuschauer fixiert, ist durchdringend und taxierend. Schließlich macht sie wortlos einige kurze Bewegungen, die als Anweisungen gedacht sind. Wer von ihr…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2021
Festivals
Das Favoriten-Festival 2020 in Dortmund zeigt die Licht und Schattenseiten von bezahlter und unbezahlter Arbeit
von Sascha Westphal
Der Besen ist riesig, mit dem Demian Wohler den Boden in der Werkhalle im Union Gewerbehof fegt. Aber das muss er wohl auch sein. Schließlich sind die Ausmaße des Raums enorm. Nach und nach zieht er seine Bahnen zwischen den in der Halle aufgestellten Tischen. Indessen staubt Lucie Ortmann die grünen Zimmerpflanzen ab, die in einem anderen Areal des Raums stehen. Es sind ganz alltägliche Arbeiten, denen Wohler und Ortmann im Zuge des Installationsprojekts „Aufstand aus der Küche: II_VerSammlung…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2020
Magazin
Das Theater Oberhausen feiert mit einem Festival den großen Filme- und Theatermacher Christoph Schlingensief – gemäß der Methode, keiner Methode zu trauen
von Sascha Westphal
Alles ist eine Frage der Perspektive. Das ist natürlich erst einmal ein Gemeinplatz, praktisch eine Selbstverständlichkeit. Aber wie so vieles, was wir für selbstverständlich nehmen, verlieren wir auch diese Erkenntnis leicht aus den Augen. Gerade bei Film- und Fernsehbildern ist der Blickwinkel entscheidend. Sie suggerieren Wirklichkeit und sind doch nur ein meist mit Bedacht gewählter Ausschnitt, der die Wahrnehmung des Betrachters und damit auch seine Vorstellungen von Wahrheit und…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2020
Auftritt
Schauspiel Köln: „Nora“ von Henrik Ibsen. Regie, Bühne und Musik Robert Borgmann, Kostüme Bettina Werner; „Die Walküre“ frei nach Richard Wagner. Regie u. Bühne T. B. Nilsson u. J. Wolf Eicke
von Sascha Westphal
Am Ende geht Nora einfach. Das von Sophia Burtscher gespielte Model nimmt sich die Freiheit, ihren Mann Helmer, einen weltberühmten Fotografen und Creative Director, ebenso wie ihre beiden Modepüppchen-Kinder zu verlassen. Was 1879 bei der Uraufführung von Henrik Ibsens Schauspiel noch eine Provokation war, scheint mittlerweile vollkommen selbstverständlich. Das weiß auch Robert Borgmann. Also verlagert er in den letzten Momenten seiner dezidiert heutigen Bearbeitung des Stücks plötzlich den…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 12/2020
Auftritt
Theater Oberhausen: „Herkunft“ (UA) von Saša Stanišić. Regie und Stückfassung Sascha Hawemann, Bühne Wolf Gutjahr, Kostüme Ines Burisch
von Sascha Westphal
„Großvater Muhamed war der freundlichste Mann“, heißt es einmal in „Herkunft“, Saša Stanišićs poetischer und vielschichtiger Befragung seiner Biografie und damit der Geschichte seiner Familie. Und so wie Torsten Bauer in diesem Moment in der blauen Uniform eines jugoslawischen Eisenbahners vor einem steht, glaubt man das sofort. Während er von Muhameds Zeit als Bremser auf der Bahnstrecke zwischen Sarajevo und Višegrad erzählt und berichtet, wie er nach seiner Pensionierung im Jahr 1978 seine…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2020
Auftritt
Theater Bielefeld: „Deinen Platz in der Welt“ (UA) von Dominik Busch. Regie Dariusch Yazdkhasti, Bühne Anna Bergemann, Kostüme Clemens Leander
von Sascha Westphal
Leuchtstoffröhren rahmen einen schwarzen Bühnenkasten ein und verströmen ein sanftes, atmosphärisch stimmiges Licht. Ganz zu Beginn von Dariusch Yazdkhastis Uraufführung von Dominik Buschs Szenengeflecht „Deinen Platz in der Welt“ ist der Kontrast zwischen dem Dunkel auf der Bühne und dem strahlenden Rahmen jedoch derart groß, dass einen das Licht blendet. Für einen kurzen Augenblick gibt es nichts als diese gleißende Helle, die einem jegliche Sicherheit und Orientierung nimmt. Man sitzt in…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2020
Kommentar
Über die Antisemitismusvorwürfe gegen Achille Mbembe und die Absage der Ruhrtriennale
von Sascha Westphal
Am 22. April wurde die diesjährige Ausgabe der Ruhrtriennale abgesagt. Der Aufsichtsrat der Kultur Ruhr GmbH, der Trägerin des Festivals, hat diesen radikalen Schritt mit der gegenwärtigen Coronapandemie und der sich aus ihr ergebenden Planungsunsicherheit begründet. Eine letzten Endes zu erwartende Entscheidung. Dennoch fällt auf, dass die Absage relativ früh erfolgt ist, vier Monate vor Beginn des Festivals, das am 14. August in der Bochumer Jahrhunderthalle eröffnet werden und bis zum 20.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2020
Aktuelle Inszenierungen
Theater des Social Distancing: Audio-Walks und Drive-in-Theater in Oberhausen, Göttingen und Tübingen
von Elisabeth Maier, Joachim F. Tornau und Sascha Westphal
Theater Oberhausen: Mit Jelinek durch die Stadt
Wie bestellt und nicht abgeholt steht er da, im Gestrüpp unterhalb der großen Werbetafel für ein Möbelhaus und wartet vergeblich. Der Märchenprinz hat ausgedient, bei Elfriede Jelinek sowieso. Aber auch in der alltäglichen Wirklichkeit unserer Welt, die vom Glauben an den Konsum bestimmt wird. Während man auf der anderen Seite der viel befahrenen Straße in der Nähe des Oberhausener Hauptbahnhofs steht und dem immer ungeduldiger werdenden Daniel…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 6/2020
Auftritt
Schauspiel Dortmund: „Lolita (R)evolution (Rufschädigendst) – Ihr Alle seid die Lolita Eurer selbst!“ von Jonathan Meese. Regie und Ausstattung Jonathan Meese
von Sascha Westphal
Natürlich hebt Jonathan Meese immer wieder den ausgestreckten rechten Arm zum Gruß. Natürlich streift sich das Enfant terrible der Kunst- und Performance-Welt mehrmals eine schwarze Uniformjacke mit Hakenkreuz-Binde über. Natürlich brüllt er ständig Sätze heraus, in denen vom Deutschsein und vom Führer, vom Ende der Demokratie und von Richard Wagner die Rede ist. Und natürlich bekommt auch die neunzigjährige Mutter des Künstlers ihren großen Auftritt, zunächst nur in einem auf den eisernen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2020
Protagonisten
Žižeks „Die drei Leben der Antigone“ in der Regie von Felix Ensslin
von Sascha Westphal
Die Einstellung des Chorführers ist offensichtlich. Nicht ihre Haltungen, nicht ihre religiösen Überzeugungen verdammen Antigone. Selbst ihre Tat ließe sich noch tolerieren. Die letzte, entscheidende Grenze hat sie aber überschritten, als sie sich offen zu ihrem Handeln bekannte. Damit hat Ödipus’ Tochter König Kreon die Stirn geboten und die männliche Macht infrage gestellt. „Die Worte mögen weiblich klingen, die Tat jedoch war männlich.“ Der vernichtende Vorwurf ist noch nicht ganz…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2020
Auftritt
Theater an der Ruhr: „Sokrates der Überlebende / Wie die Blätter“. Regie Simone Derai Kostüme Serena Bussolaro und Simone Derai
von Sascha Westphal
Ein Lehrer blickt zurück. In drei Monologen erinnert sich Andrea Marescalchi an eine Gruppe von Schülern, die er drei Jahre lang in Geschichte und Philosophie unterrichtet hat. Drei Schulstunden auf dem Weg zum Abitur. Drei Versuche, den Jugendlichen neben dem reinen Wissen auch so etwas wie Haltung und Hoffnung zu vermitteln. Doch das ist schwierig für den engagierten und dennoch hoffnungslos desillusionierten Lehrer. Die Zeit ist viel zu knapp bemessen, und die Lehrpläne sind mit Stoff viel…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2020
Auftritt
Schauspiel Köln: „Aus dem bürgerlichen Heldenleben“ nach Carl Sternheim. Regie Frank Castorf, Bühne Aleksandar Denić, Kostüme Adriana Braga Peretzki
von Sascha Westphal
Es ist, als ob Europa Fuld kurz davor wäre, vor Begierde zu explodieren. Ihre Gefühle und ihr Begehren lassen sich kaum noch kontrollieren. Ihr Innerstes droht zu bersten, also kauert sie sich ganz fest zusammen. Der Körper wird zu einem Bollwerk, das dem in ihr tobenden Sturm der Leidenschaften standhält. Lilith Stangenberg ist in diesen Momenten, in denen die Millionenerbin Europa mit sich ringt, kaum zu sehen. Sie versteckt sich hinter dem Bar-Tresen auf der linken Seite von Aleksandar…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2020
Auftritt
Theater Münster: „Wer hat meinen Vater umgebracht“ nach Édouard Louis. Regie Michael Letmathe, Musik Fabian Kuss, Video Daniel Ortega Macke
von Sascha Westphal
Der junge Mann ist spät dran. Als er das Kellergewölbe des U2, der kleinsten Spielstätte des Theaters Münster, betritt, hat die Vorstellung zwar noch nicht begonnen, aber der größte Teil des Publikums hat schon Platz genommen. Der letzte Stuhl in der zweiten Reihe ist noch frei. Also zwängt er sich, die Reihen sind schmal, an den Sitzenden vorbei. Ein paar stehen für ihn auf, andere bleiben demonstrativ sitzen. Auf den ersten Blick unterscheidet den jungen Mann nichts von den anderen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 2/2020
Auftritt
Schauspiel Köln: „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ von Eugene O’Neill. Regie Luk Perceval, Bühne Philip Bußmann, Kostüme Katharina Beth
von Sascha Westphal
Der Schauspieler und Familienpatriarch James Tyrone wirkt wie ein Fels in der Brandung. Wenn er auf dem einzigen Sessel sitzt, den es in Philip Bußmanns Breitwand-Bühnenbild gibt, scheint ihn nichts wirklich erschüttern zu können. Die anderen mögen mit ihren Gefühlen und ihren Ängsten so viel kämpfen, wie sie wollen. Er bleibt die Ruhe selbst. Doch das ist alles nur Spiel, eine über Jahre errichtete Fassade. Innerlich gärt es in dem Mann, der immer noch von seinen Kindheitserinnerungen…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 1/2020
Magazin
Die Freiheit der Kunst war das bestimmende Thema auf dem flausen+bundeskongress#2 im Freien Werkstatt Theater in Köln
von Sascha Westphal
Von einem glücklichen Zufall zu sprechen verbietet sich natürlich von selbst. Trotzdem hat der „Offene Brief zur Situation in Dresden“, den das Landesbüro Darstellende Künste Sachsen e. V. am 6. Februar 2019 veröffentlicht hat, dem zu ebendiesem Zeitpunkt im Freien Werkstatt Theater stattfindenden flausen+bundeskongress#2 eine zusätzliche Dringlichkeit verliehen. Während in Köln Theatermacher aus Deutschland und dem Ausland unter dem doppeldeutigen Motto „The Politics of Art“ über die…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2019
Gespräch
von Felix Ensslin und Sascha Westphal
Herr Ensslin, welche Bedeutung hat Hannah Arendts Leben und Werk für unsere heutige Zeit?Hannah Arendt ist ein Stachel im Fleisch unserer politischen Gegenwart. Wir verstehen Politik heute oft als Kampfplatz der Interessenvertretung oder greifen zum Megafon, um unsere Bedürfnisse zu artikulieren. Arendt dagegen verstand die griechische Agora, den Marktplatz im Zentrum der Stadt, als einen vorbildhaften politischen Raum. Menschen stellen sich dort durch ihre Handlungen, nicht durch ihr…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2019
Protagonisten
Mit dem Théâtre National du Luxembourg hat Intendant Frank Hoffmann im Schmelztiegel Luxemburg eine Art Welt-Nationaltheater begründet
von Sascha Westphal
Eine erstaunliche Unruhe geht von dem namenlos bleibenden Mann aus. Er ist fortwährend in Bewegung. Mal klettert er auf das kleine Bühnenplateau, das sich vor den Zuschauerreihen wie ein übergroßer Altar erhebt. Mal irrt er rastlos zwischen den in Sitzsäcken versunkenen Zuschauerinnen und Zuschauern hin und her. Eigentlich dürfte er dabei kein einziges Wort sagen. So sieht es zumindest Salat Lehel, der Autor von „Europe – My Heart Will Be Broken and Eaten“, in seinen Regieanweisungen vor. Der…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 5/2019
Gespräch
von Sonja Laaser und Sascha Westphal
Frau Laaser, sind angesichts der Kolonialgeschichte alle weißen Europäerinnen und Europäer Rassisten?Nein. Ich sage nicht, dass wir Rassisten sind, sondern frage, ob unsere Gesellschaft ein strukturelles rassistisches Thema hat. Man muss unterscheiden: Ist eine Aussage rassistisch oder ist der, der sie macht, rassistisch? Nicht jeder, der sich einmal rassistisch äußert, ist auch ein Rassist. Aber die Aussage ist gegebenenfalls ein Ausdruck dieser rassistischen Strukturen.
Inwieweit kann man…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2019
Protagonisten
Unter der Intendanz von Christian Tombeil stellt das Schauspiel Essen mit partizipativen Projekten und politischen Stoffen den Bildungsauftrag in das Zentrum seiner Arbeit
von Sascha Westphal
Essen ist eine geteilte Stadt. Gleich zwei Mauern, die als Lärmschutzwände zu beiden Seiten die Autobahn A40 einhegen und den Anwohnern eigentlich nur ein bisschen Ruhe schenken sollen, zerschneiden die Stadt. Die stark befahrene Autobahn, die euphemistisch als eine Art Lebensader des Ruhrgebiets beschrieben wird, in Wahrheit aber eher einer chronisch verstopften, kurz vor dem Infarkt stehenden Arterie gleicht, bildet eine deutlich sichtbare Grenze. Sie separiert den Norden vom Süden der Stadt…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 3/2019
Magazin
Das Favoriten Festival 2018 in Dortmund bietet eine klare Absage an die Mechanismen des Marktes und setzt auf ein Theater der Verunsicherung
von Sascha Westphal
Zu den Eigenheiten des alle zwei Jahre in Dortmund stattfindenden Theaterfestivals Favoriten gehört, dass jede neue Ausgabe seit einiger Zeit ein neues Leitungsteam hat. Als es 1985 unter dem Namen Theaterzwang ins Leben gerufen wurde, war es als Leistungsschau der freien Theaterszene in NRW konzipiert. Von dieser Idee haben sich Fanti Baum und Olivia Ebert, die gegenwärtigen Festivalleiterinnen, schon mit der Entscheidung gelöst, sechzehn und nicht wie üblich zehn Arbeiten einzuladen. Ihre…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2018
Auftritt
Schauspiel Köln: „Tyll“ (UA) nach dem Roman von Daniel Kehlmann von Julian Pörksen u. Stefan Bachmann. Regie Stefan Bachmann, Bühne Olaf Altmann, Kostüme Jana Findeklee u. Joki Tewes
von Sascha Westphal
Olaf Altmann hat die riesige Bühne des Depot 1 geflutet. Das Wasser geht den Schauspielerinnen und Schauspielern bis über die Knöchel. Jeder Schritt, den sie machen, erzeugt kleine Wellen, die ihre Spiegelbilder auf der dunklen Wasseroberfläche zerfließen lassen. So wird sichtbar, was all die Adeligen und die Gelehrten, die Soldaten und die Spaßmacher, die in Stefan Bachmanns Bühnenadaption von Daniel Kehlmanns Roman „Tyll“ über die wölfische Natur des Menschen auftreten, nicht wahrhaben…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2018
Auftritt
Theater Paderborn: „Andorra“ von Max Frisch. Regie Tim Egloff, Ausstattung Selina Traun
von Sascha Westphal
Barblin weißelt und weißelt. Immer wieder taucht die junge Frau die Finger der rechten Hand in den Eimer mit weißer Farbe und streicht dann über winzige Stellen der rechten Bühnenwand. Eine ziemlich absurde Tätigkeit, schließlich hat Ausstatterin Selina Traun einen weißen Kasten auf die Bühne des Theaters Paderborn gestellt, den keinerlei Flecken verunstalten. Der äußere Anschein ist makellos. Das Material, aus dem der Boden und die drei Wände bestehen, erzählt jedoch eine andere Geschichte.…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 10/2018
Auftritt
Theater Münster: „Der Reichsbürger“ (UA) von Annalena und Konstantin Küspert. Regie Julia Prechsl, Ausstattung Sophia Debus
von Sascha Westphal
Ludwig Carl möchte einen guten Eindruck machen. Was wir von ihm denken, ist ihm überaus wichtig. Schließlich hat er sich viel vorgenommen. Der gelernte Elektriker, der vor einiger Zeit seine Frau verloren hat, möchte seine Gäste überzeugen, ihnen ihre Befürchtungen wie auch ihre Vorurteile nehmen. Also gibt er sich freundlich und offen. Jede Zuschauerin und jeden Zuschauer, die das dunkle Kellertheater U2, die kleinste Spielstätte des Münsteraner Theaters, betreten, begrüßt Ludwig Carl…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 4/2018
Auftritt
Theater Paderborn: „In weiter Ferne“ von Caryl Churchill. Regie Robert Teufel, Ausstattung Rebekka Zimlich
von Sascha Westphal
Joan kann sich nirgendwo verstecken. Der leere Raum, den die Ausstatterin Rebekka Zimlich aus drei schiefergrauen Wänden erschaffen hat, bietet ihr keinerlei Schutz. Also drückt sich das Mädchen im lachsfarbenen Shirt an eine der Wände, möglichst weit weg von der einen Tür, durch die Harper den Raum betritt. Joan weiß nicht, was sie von ihrer Tante zu erwarten hat, und das macht ihr Angst. Dabei beginnt das Gespräch zwischen ihnen ganz harmlos. Harper erinnert sie nur daran, dass es schon sehr…mehr
aus der Zeitschrift: Theater der Zeit 11/2017
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